Donnerstag, 4. Juli 2013

"Hey, danke!"

Eines Tages, als ich gerade mit der Highschool angefangen hatte, sah ich einen Jungen aus meiner Klasse von der Schule nach Hause gehen. Sein Name war Kyle. Er schien alle seine Bücher dabeizuhaben. Ich dachte bei mir: „Warum nimmt jemand an einem Freitag alle seine Bücher mit nach Hause? Das ist bestimmt ein Streber.“ Ich hatte ein tolles Wochenende geplant, Partys und ein Fußballspiel mit meinen Freunden am Samstagnachmittag, darum zuckte ich die Achseln und ging weiter. Unterwegs sah ich eine Gruppe von Kindern, die ihm entgegenkamen. Sie rempelten ihn an, stießen ihn um und alle seine Bücher landeten im Dreck.

Seine Brille war ihm von der Nase geflogen und ich sah sie etwa drei Meter von ihm entfernt im Gras liegen. Er blickte auf und ich entdeckte diese schreckliche Traurigkeit in seinen Augen. Als ich ihm seine Brille reichte, sagte ich: „Diese Typen sind Blödmänner. Die sollten wirklich besser aufpassen.“

Er sah mich an und erwiderte: „Hey, danke!“ Ein strahlendes Lächeln erhellte sein Gesicht. Es war so ein Lächeln, das aufrichtige Dankbarkeit ausdrückt. Ich half ihm, seine Bücher aufzusammeln, und fragte ihn, wo er wohne. Wie sich herausstellte, wohnte er ganz in meiner Nähe, darum fragte ich ihn, warum ich ihn bisher noch nicht gesehen hätte. Er sagte, er habe vorher eine Privatschule besucht. Früher hätte ich mich nie mit jemandem von einer Privatschule abgegeben.

Plaudernd machten wir uns auf den Heimweg und ich nahm ihm einen Teil seiner Bücher ab. Er erwies sich als ziemlich cooler Typ. Ich fragte ihn, ob er am Samstag mit mir und meinen Freunden Fußball spielen wolle. Er sagte ja. Wir verbrachten das ganze Wochenende miteinander, und je besser ich Kyle kennen lernte, desto mehr mochte ich ihn. Meinen Freunden erging es ähnlich.

Der Montagmorgen brach an und da war Kyle wieder mit seinen ganzen Büchern. Ich hielt ihn an und sagte: „Junge, wenn du jeden Tag diesen Stapel Bücher schleppst, musst du ganz schöne Muskeln haben!“ Er lachte nur und reichte mir die Hälfte seiner Bücher.

Im Laufe der folgenden vier Jahre wurden Kyle und ich die besten Freunde. In der Oberstufe begannen wir über das College nachzudenken. Kyle entschied sich für ein Medizinstudium in Georgetown. Ich hatte ein Stipendium bekommen und wollte in Duke Wirtschaft studieren. Unserer Freundschaft würde die Entfernung nichts anhaben können.

Kyle sollte bei der Abschlussfeier für unsere Klasse die Abschlussrede halten. Ich neckte ihn deshalb permanent, er sei ein Streber. Ich war so froh, dass ich nicht da vorne stehen und die Rede halten musste. Am Tag der Abschlussfeier sah Kyle großartig aus. Er gehörte zu den Jungen, die während der Schulzeit zu sich selbst gefunden hatten. Seine Brille stand ihm richtig gut. Er hatte mehr Verabredungen als ich und alle Mädchen liebten ihn. Junge, es gab Tage, an denen ich richtig eifersüchtig auf ihn war. Das war ein solcher Tag. Ich spürte seine Nervosität. Ich schlug ihm auf den Rücken und sagte: „Hey, Großer, du wirst das toll machen!“

Er sah mich mit einem jener Blicke an (einem dieser wirklich dankbaren) und lächelte. „Hey, danke“, sagte er.

Zu Beginn seiner Rede räusperte er sich. „Die Abschlussfeier bietet uns Gelegenheit, denen zu danken, die uns durch diese schwierigen Jahre der Schulzeit geholfen haben. Den Eltern, den Lehrern, den Geschwistern und vielleicht einem Trainer, vor allem aber den Freunden. Ich möchte euch sagen, dass man einem Menschen kein schöneres Geschenk machen kann, als ihm ein Freund zu sein. Ich werde euch eine Geschichte erzählen.“

Ich starrte meinen Freund einfach nur ungläubig an, als er die Geschichte von unserer ersten Begegnung berichtete. Er hatte sich eigentlich vorgenommen, sich an jenem Wochenende das Leben zu nehmen. Er erzählte, wie er seinen Spind ausgeräumt hatte, um das seiner Mutter zu ersparen, und wie er alle seine Sachen mit nach Hause genommen hatte. Sein Blick wanderte zu mir und er lächelte. „Zum Glück wurde ich gerettet. Mein Freund hat mich vor dem Unaussprechlichen bewahrt.“ Ich hörte, wie die Zuhörer nach Luft schnappten, als dieser gut aussehende, beliebte Junge uns allen von seinem Augenblick der Schwäche erzählte. Seine Mom und sein Dad sahen mich an und warfen mir dasselbe dankbare Lächeln zu. Erst in diesem Augenblick begriff ich seine Tiefe.

Autor unbekannt; aus: Heartprints

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