Die Blume der Kaiserin
Einst lebte im alten China ein junger Prinz, der zum Kaiser gekrönt
werden sollte. Zuvor jedoch musste er heiraten, weil es das Gesetz so
vorschrieb. Da es darum ging, die künftige Kaiserin auszuwählen, musste
der Prinz ein Mädchen finden, dem er blind vertrauen konnte.
Dem Rat eines Weisen folgend, ließ er alle jungen Frauen der Gegend in seinem Palast zusammenrufen und sprach
zu ihnen: „Ich werde jeder von euch einen Samen geben. Diejenige, die
mir in sechs Monaten die schönste Blume bringt, wird die zukünftige
Kaiserin von China sein.“
Nun waren unter den geladenen jungen
Frauen viele schöne und reiche zu finden, aber auch die Tochter des
Palastgärtners, die den Prinzen schon viele Jahre heimlich liebte. Auch
sie erhielt ein Samenkorn und ging glücklich damit nach Hause.
Jeden
Tag hegte und pflegte sie nun das Korn, sorgte für Dünger, Wasser,
stellte es ins Sonnenlicht und nährte es mit all ihrer Hingabe und
Liebe, die sie für den Prinzen empfand.
Drei Monate vergingen, und
nichts keimte. Die junge Frau versuchte alles, sprach mit vielen
Gärtnern und Bauern, doch keiner der Ratschläge führte zum Erfolg. Ihre
Liebe war indes so lebendig wie eh und je. Schließlich waren die sechs
Monate vergangen und in ihrem Blumentopf war trotz all ihrer Bemühungen
nichts gewachsen.
Am Tag der erneuten Audienz erschien die junge
Frau mit ihrem Blumentopf ohne Pflanze und sah, dass die anderen
Bewerberinnen großartige Ergebnisse erzielt hatten. Jede hatte eine
Blume und eine war schöner als die andere.
Dann nahte der
entscheidende Augenblick. Der Prinz kam herein und sah eine Bewerberin
nach der anderen eindringlich an. Anschließend verkündete er das
Ergebnis: Er zeigte auf die Tochter des Gärtners als seine zukünftige
Frau.
Die anderen Frauen murrten und fragten, weshalb er denn
ausgerechnet jene erwählt hatte, der es nicht gelungen war, eine Pflanze
zu ziehen.
Da erklärte der Prinz ruhig seine Wahl: „Sie war die
einzige, die eine Blume gezogen hat, die sie würdig macht, Kaiserin zu
werden – die Blume der Ehrlichkeit. Alle Samen, die ich verteilt habe,
waren unfruchtbar und konnten unmöglich Blumen hervorbringen.“
Autor unbekannt
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen