GHANA: Die Geschichte der Befreiung von 46 Sex-Sklavinnen
„An dem Abend, als ich Annabelle traf, regnete es”, berichtet Chris
Insaidoo von Operation Mobilisation Ghana. „Sie kam auf mein Auto zu und
fragte: ‚Willst du mich für diese Nacht haben?‘ Ich wurde so traurig.
‚Warum tust du dir das an, meine Schwester?‘ fragte ich das Mädchen und
schaute dabei in ihre dunklen Augen. ‚Du hast dein ganzes Leben
noch vor dir. Warum nur bist du heute Nacht hier in diesem Regen – und
willst deinen Körper verkaufen?‘ ‚Das ist eine lange Geschichte, Sir‘,
flüsterte sie, und ihre Augen füllten sich mit Tränen. ‚Entschuldigung,
mehr kann ich dazu nicht sagen. Sie beobachten mich.‘ Ich gab dem
Mädchen meine Telefonnummer und sagte ihr, sie solle mich anrufen. Dies
war der Beginn, der schließlich zur Befreiung von 48 nigerianischen
Sex-Sklavinnen führte.“
Es ist kein Geheimnis, dass die
organisierten, kriminellen Banden aus Nigeria viele Milliarden Euro mit
Menschenhandel verdienen, der über weltweite Netzwerke abgewickelt wird.
In den vergangenen 10 Jahren haben die Bosse zehntausende Frauen und
Kinder in andere Teile Afrikas und nach Übersee transportiert, wo sie zu
harter Arbeit und Prostitution gezwungen wurden.
„Ich musste jede Nacht mit bis zu 12 Männern schlafen.”
Die jungen Frauen, von denen Chris erfuhr, waren alle zwischen 17 und
25 Jahre alt. Sie waren mit dem Versprechen auf Arbeit zu einem
„Gästehaus“ im inoffiziellen Rotlichtviertel von Kumasi in Ghana
gebracht worden. Wenn die Mädchen erst einmal dort waren, wurden sie
informiert, dass sie als Prostituierte arbeiten würden. Sie könnten ihre
Freiheit nur dann zurückkaufen, wenn sie dafür 1.400 Euro (1.840$)
bezahlen würden. Jede von ihnen wurde dann dazu gezwungen, die billige,
enthüllende Kleidung zu tragen, die ihnen gegeben wurde, und sie mussten
losziehen, um Kunden anzuwerben.
Oftmals erhielten die Frauen
gerade mal 2 Euro für ihre Dienste, und nicht selten wurden sie sowohl
von Einzelnen als auch von Banden vergewaltigt oder ausgeraubt. Ein
Mädchen namens Angela erzählte Chris später, dass sie manchmal mit bis
zu 12 Männern in einer Nacht schlafen musste, um die erforderliche Summe
aufzubringen, damit sie für Essen und Miete bezahlen konnte. „Du
durftest nicht krank werden und schon gar nicht schwanger“, fügte sie
hinzu. „Unsere Zuhälterinnen schlugen uns sonst erbarmungslos und
schickten uns dann fort, um mit Männern zu schlafen, bis sie ein Gebräu
für dich erworben hatten, dass du trinken musstest. Drei Tage nach der
Abtreibung musstest du wieder an die Arbeit gehen.“
Chris Insaidoo,
der Gründer von Rural Evangelism Crusaders (evangelistische
Misssionarbeit in den Dörfern), der 2010 zu OM Ghana kam, ist seit sechs
Jahren am Kampf gegen den Menschenhandel mit Kindern und Mädchen
beteiligt. Chris sah sich genötigt zu handeln, nachdem er von der
Notlage von Hunderten von Jungen und Mädchen erfuhr, die aus armen
Gebieten im nördlichen Ghana geholt und zu Sklavenarbeit gezwungen
wurden. Viele Kinder wurden für die Farmarbeit benötigt, oder zum
Fischen am Volta-See, einem der größten Stauseen der Welt. Ihre Arbeit
schloss das Tauchen nach Fischernetzen mit ein, in denen sich unzählige
Baumstümpfe verfangen hatten. Dies war eine gefährliche Arbeit, die zu
verschiedenen Krankheiten durch das Wasser und sogar zum Ertrinken
führen konnte. Allein im letzten Jahr konnte das Team von OM Ghana 150
befreite Kinder, bzw. Kinder, denen der Menschenhandel drohte, in die
Schule schicken.
„Diesen Mädchen musste Gerechtigkeit widerfahren.”
Nach der Begegnung von Chris mit Annabelle arbeitete das Team daran,
mehr Informationen über andere nigerianische Mädchen auf der Straße zu
bekommen. Dies war eine gefährliche Aufgabe, besonders als sie einige
örtliche Polizisten dabei beobachteten, wie sie mit den Menschenhändlern
zusammenarbeiteten. „Doch weil wir das Gefühl hatten, dass diese
Mädchen Gerechtigkeit verdienten“, sagte er, „gingen wir zum
Polizeichef. Er leitete uns an die „Anti-Human Trafficking“-Einheit
(Einheit im Kampf gegen den unmenschlichen Menschenhandel) der
regionalen Polizeistation in Ashanti weiter, und durch die
Informationen, die zwei Mädchen unserem OM Team gegeben hatten, wurde
eine Razzia in dem Bordell veranlasst. Vier Menschenhändler wurden
verhaftet und 46 Mädchen befreit.“
Chris erklärt uns, dass die
Befreiung von Menschen jedoch eine kostspielige Sache ist. Die Opfer
fühlen sich hinterher häufig betrogen, sind voller Scham und
verängstigt, und sie haben keinen Ort, an den sie gehen können. Um die
Macht über die Opfer zu behalten, lassen die Menschenhändler manchmal
Informationen an die Familien der Mädchen durchsickern, dass diese zu
Prostituierten geworden sind, und deshalb können sie nicht mehr nach
Hause gehen. Außerdem führen die Menschenhändler okkulte Zeremonien mit
ihren Haaren oder ihrem Blut durch, um sie zu überzeugen, dass ein
Familienmitglied verrückt werden oder sterben wird, falls sie ihren
Kidnappern nicht gehorchen. „Deshalb“, sagte er, „müssen wir den Mädchen
mit Befreiungsgebet dienen. Dies ist harte Arbeit, doch Menschen, die
gerettet wurden, werden ohne Christus zurück in die Sklaverei gehen. Du
musst sowohl ihren geistlichen als auch ihren körperlichen Bedürfnissen
begegnen. Ich habe einige der Mädchen getroffen, die wir damals in
Nigeria retten konnten, und sie hatten große Schwierigkeiten. Deshalb
versuchen wir, sie mit christlichen Gemeinden in Kontakt zu bringen.“
Von den 46 geretteten Mädchen wurden 12 zu der OM Basis in Ghana
gebracht, um dort Seelsorge, Rehabilitation und Jüngerschaftstraining zu
erhalten. Jetzt wurden sie zu ihren Familien zurückgeschickt, und die
meisten von ihnen konnten einen Neuanfang machen. Und auch wenn wir uns
über die Rettung von jungen Frauen wie Annabelle und Angela freuen, ist
es dennoch eine Tatsache, dass noch Hunderttausende weiterhin die
Gefangenen der Mächtigen bleiben. Diese Arbeit hat auf der ganzen Welt
gerade erst angefangen.
Quelle: DEBBIE MEROFF, OM/JoelNews
Ausgabe: 28/2013
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